Die Reise ins Paradies
Ein indisches Märchen
Die Reise ins Paradies, ein indisches Gleichnis erzählt in einfachen Bildern eine tiefe Weisheit. Es ist die Geschichte von einem Inder, er hieß Gauba und diente in einem heiligen Tempelgarten. Sein größter Wunsch war es im Paradies zu leben und er sann darüber nach, wie er dorthin gelangen könne. Wenn die Leute versuchten ihm klarzumachen, dass es niemandem vergönnt war lebendig mit seinem irdischen Körper ins Paradies zu gelangen,
Dann sagte er: "ich muss hinein, und zwar so wie ich bin, und zusammen mit meinen Liebsten."Einmal, es war eine klare Vollmondnacht sah er von seinem kleinen Häuschen aus ein riesiges Tier im Tempelgarten. Es wanderte zwischen den Bananenstauden, die voller Früchte hingen.
Gauba ergriff einen Bambusstock um das Tier zu vertreiben, wütend rief er :"hey da, fort mir dir!"Wie er näher kam, oh welch ein Wunder, da sah er einen weißen Elefanten, so weiß wie der Schnee auf den Gipfeln des Himalaya. Wie auf Säulen aus glänzendem Silber stand er auf seinen vier mächtigen Beinen, das Maul rot wie Orleanderblüten, ehrwürdige elfenbeinerne Stoßzähne, die Augen leuchteten wie Diamanten, und die Ohren zu beiden Seiten wedelten wie zwei riesige Fächer. Entzückt und stumm vor Staunen starrte Gauba das Tier an.
Freundlich und höflich sprach er es an "hochwohlgeborener Herr Elefant, bitte zerstören sie die Früchte meiner Arbeit nicht, sie sind zur Opfergabe für den Tempel bestimmt."
Der weiße Elefant ging langsam auf Gauba zu, der kniete nieder und verneigte sich, "herrlichster aller Himmels Geschöpfe, ich freue mich dich zu sehen."
Der himmlische Elefant lächelte: "was wünscht du dir, für die Kost deiner Früchte?"
"Ach, sagte Gauba, ich bin des Erdenlebens müde und möchte gerne ins Paradies."
"Was hast du denn Gutes getan, dass du ein gesegnetes Leben im Paradies verdient hast," fragte der weiße Elefant.
"Ich habe mein ganzes Leben der Pflege dieses Gartens gewidmet, habe die schönsten Blumen gezüchtet, die edelste Früchte angebaut als Opfergabe für die Götter." "Habe nie jemandem böses zugefügt oder etwas Unrechtes getan."
"Also gut, ich komme beim nächsten Vollmond wieder in deinen Garten, erwarte mich hier, wenn ich in den Himmel zurückfliege darfst du dich an meinem Schwanz festhalten."Gauba war überglücklich, verneigte sich tief und bot ihm einen ganzen Arm reifer Bananen an.
Nachdem der Elefant gefressen hatte fragte er Gauba: "nun erzähl mir mal was willst du so ganz allein im Paradies?"
"Allein, wieso allein, ich habe eine gute Frau, die ärgert mich manchmal, weil sie eine so große Verwandtschaft hat, und einen kleinen Affen, die kann ich nicht hierlassen".
Der Elefant lächelte, "wie willst du bewerkstelligen, dass die auch noch mitkönnen, du Schlaumeier?"
"Ach, das ist eine Kleinigkeit, sagte Gauba ohne nachzudenken, meine Frau wird sich an meinem Rock festhalten und mein Äffchen wird sich auf meine Schultern setzen."Den Elefant belustigte der Vorschlag und er erklärte sich mit der Anordnung einverstanden. Und nun war es auch Zeit für ihn, lebewohl zu sagen und er war schon himmelwärts unterwegs. Gauba eilte in seine Hütte zurück, weckte seine Frau und erzählte ihr atemlos von ihrer bevorstehenden Reise ins Paradies.
Sie war erschrocken :"bist du verrückt geworden"?Er erzählte ihr aber immer wieder ganz eindrücklich von seiner Begegnung mit dem weißen Elefant und wie ernst es ihm ist mit der bevorstehenden Reise, bis sie ihm glaubte. Ganz so glücklich wie Gauba war sie aber nicht bei dem Gedanken die Erde zu verlassen. Sie fürchtete, dass sie im Paradies all die guten Dinge, die es hier gab nicht bekommen würde. Aber sie stimmte endlich zu und beide kamen überein, dass sie ihre Reise streng geheimhalten und ihre Vorbereitungen dazu wirklich nur ganz im Stillen treffen wollen. Wie aber hätte Gaubas Frau nur die Erde verlassen können ohne ihrer alten Tante, ihren zahlreichen Nichten und Neffen gebührend lebewohl zu sagen. Und was würden die Leute aus dem Dorf denken, die sie all die Jahre mit Milch, Öl und Kleidung versorgt hatten wenn sie plötzlich verschwunden war. Und überhaupt, was kann es schaden, wenn sie alle erfahren würden, dass ein weißer Elefant vom Himmel hernieder gesandt war, um sie und ihren Gatten ins Paradies zu holen, als Belohnung für die gute Pflege des Tempelgartens?
Wie es nun zu jener Vollmondnacht kam fand sich eine große Schar ein, es stellte sich heraus, daß sie allen versprochen hatte sie mitzunehmen. Das war eine Aufregung und ein Gedränge, als der Elefant im Garten erschien. Er fand es spaßig all die Menschen durch den Garten huschen zu sehen, er dachte sie wären gekommen um sich von Gauba und seiner Frau zu verabschieden. Das gute Tier ließ sich auf die Knie nieder, dass sich Gauba einen sicheren Halt an seinem Schwanz sichern konnte. Und dann Hui ging es los, Gauba am Schwanz des Elefanten, Äffchen Kalu fest auf seiner Schulter, seine Frau hielt sich am Anzug fest, die alte Tante hing an Gaubas Frau Kleider, dann kam der stämmige Neffe, dann der nächste und nächste und immer hing einer am anderen.
So verließ die ganze Gesellschaft schnell die Erde, und sehr bald konnte man die schwarzen Umrisse der Wälder nicht mehr sehen. Der weiße Elefant überflog die Gipfel des Himalayas, die waren vom Schnee weiß und Gauba freute sich, nun konnte das Paradies nicht mehr weit sein. Während sie alle am Schwanz des Elefanten hingen, entspann sich eine rege Unterhaltung, nur Kalu war still, er hatte sich gemütlich eingerollt und war eingeschlafen. Die anderen begannen sich auszumalen was sie wohl im Paradies erwarten würde?"Sag mir doch guter Mann, ob uns einfache Leute, die Herrschaften im Paradies auch mögen werden?"
"Sei unbesorgt, im Paradies sind alle Menschen gleich" beruhigte sie ihr Mann.
"Und muss ich im Paradies auch so schwer arbeiten wie zu Hause?"
"Nein, sei unbesorgt für Nahrung und Kleidung ist gesorgt, du brauchst nicht kochen, waschen und nähen, das alles machen die Engel."
"Lieber Mann, die Tante hinter mir wollte wissen ob im Paradies auch Fische zu bekommen sind?"
"Wie kannst du nur an solche gewöhnliche Dinge denken, jetzt wo wir ins Paradies kommen", erwiderte der Mann ärgerlich.
Jetzt rief der stämmige Neffe von hinten, "Onkel gibt es im Paradies Ziegen?"
"Haltet den Mund!" schrie Gauba zurück.
Eine Weile war es still, bis Frau Gauba um eine letzte Frage bat: "gibt es im Paradies Wassermelonen?"
Jetzt war Gauba richtig bös: "wie kannst du nur so dumm fragen, natürlich gibt es im Paradies Wassermelonen, denn die Götter essen sie ja so gern."
Frau Gauba war begeistert und rief aus: "Wie groß sie sein mögen?"
"Soo.. groß" rief Gauba wütend, und zeigte mit den Händen wie groß die himmlischen Wassermelonen seien.Dabei ließ er natürlich den Schwanz des Elefanten los, und "du Blöde", konnte er nicht mehr zu Ende sagen, da geschah es, die ganze Gesellschaft, die gerade noch auf dem Weg zum Paradies war, purzelte pfeilschnell zur Erde zurück. Halt, nur das Äffchen Kalu war erschrocken aufgewacht und auf das Hinterteil des Elefanten gehüpft. So kam Gaubas kleiner Liebling ins Paradies, und die übrigen Reiseteilnehmer fanden sich im Tempelgarten wieder. Und wie erstaunlich ganz sanft und unverletzt. Der Segen des weißen Elefanten hatte sie beschützt. Aber was soll ich sagen, Gauba war sehr unglücklich, weniger darüber dass er zur Erde zurückkehren musste, als dass er Kalu verloren hatte. Täglich betete er darum, Kalu sein Liebling möge zu ihm zurückkehren. Und wirklich eines Nachts hörte er eine Stimme vor der Tür, und als er sie öffnete, saß der kleine Affe Kalu auf der Schwelle.
Selig nahm ihn Gauba in den Arm und streichelte ihn und lachte: "hast du mich vermisst kleines Äffchen"Kalu schüttelte das Köpfchen und machte eine Grimasse.
Gauba musste wieder lachen: "war es nicht schön im Paradies, erzähl doch mal?"
"Ich pfeife auf das Paradies, sagte Kalu, es gibt keine Nüsse, keine Bananen und nicht einmal Wassermelonen gibt es da!"Dann hüpfte er auf Gaubas Schoß und rollte sich zusammen und schlief ein. Das ist das Ende von Gaubas Reise ins Paradies.