Gevatter Tod
Interpretation
Was ist das Thema im Märchen:
Der Tod ist eines jeden Menschen Gevatter, denn er begleitet uns solange wir leben, wann, wie, wodurch wir sterben kann sich in Sekunden entscheiden. Insbesondere aber für die Menschen, die im Heilberuf tätig sind, und Verantwortung über Leben und Tod anderer tragen. Wann übergibt man den Kranken dem Tod, wann kämpft man gegen den Tod, so klar wie in dem Märchen vom "Gevatter Tod" sind die Grenzen nicht. Die Frage im Märchen ist inwieweit hat der Arzt ein Recht in die Ordnung von Leben und Tod einzugreifen.Eine ähnliche Geschichte aus der griechischen Antike zeigt noch deutlicher wie die göttliche Herrschaft zuschlägt, wenn die Grenzen zwischen Leben und Tod nicht eingehalten werden.
Asklepios lernte die Heilkunst von dem Kentaur Cheiron. Ob nun aus göttlicher Eingebung oder als meisterlicher Arzt, er beherrschte die Heilkunst wie kein anderer. Mit dem Blut der Medusa, gelang es ihm sogar, einen Toten wieder zum Leben zu erwecken. Mit der Wiedererwckung eines Toten hatte Asklepios wohl seine Befugnisse überschritten, jedenfalls beschwerte sich Hades energisch bei seinem Bruder Zeus über ihn. Auch letzterer fürchtete nun ob des Erfolges des Heilkünstlers, dass bald kein Mensch mehr sterben würde. Er schleuderte daraufhin einen Blitz auf Asklepios und tötete diesen.
Auch im Grimmmärchen hat der junge Arzt seine Befugnisse als Arzt und Pate des Todes überschritten und wird dafür mit den Tod bestraft.
Fragen zum Märchen:
Weshalb riskierte der Arzt den Gevatter Tod zu verärgern, und entriss den König dem sicheren Tod?
Eine Antwort: Der junge Arzt wird zu dem kranken König gerufen, und wer weiß vielleicht hatte er Angst dem König zu sagen er müsse sterben, so hat er aus Unmöglichem Mögliches gemacht. Dann ging es ihm so ähnlich wie dem persischem Hakim, einem altorientalischen Arzt dessen Wissen um die Heilkunst weit über das Land gerühmt wurde:
Der mächtige Herrscher Karimkhan des Landes war krank geworden und weil er bekannt für seinen Jähzorn war, traute sich keiner der Ärzte an sein Bett. Wie nun also der berühmte Hakim, von einem Diener des Herrschers mit sanfter Gewalt und häßlichen Drohungen ans Krankenlager des mächtigen Karimkham geschoben wurde. Brüllte Karimkhan mit gewaltiger Stimme: "Dich kennt man überall als guten Arzt, nun zeig deine Kunst, aber bedenke immer wen du hier vor dir hast!" Sorgfältig also untersuchte der Hakim den Herrscher. Und dann sagte er: "Hier hilft nur eins, bereitet alles auf einen Einlauf vor." "Was Einlauf, schrie da der mächtige Herrscher, wer soll einen Einlauf bekommen?" Und dabei sah er den Hakim so wütend an, dass der zitterte und sagte: "Für mich, O Herr, ist dieser Einlauf." Der König ließ dies an dem Hakim geschehen und siehe, seit der Stunde besserten sich die Beschwerden dem Karimkhan, und immer wenn ihn ein Leiden plagte, rief er den Hakim zu sich, daß an diesem der Einlauf durchgeführt werde.Der Arzt hatte es nicht leicht, sein Honorar war Erfolgshonorar. Als Diener des Königs war er dessen Willkür ausgesetzt. Und so musste er über zwei Risiken hin, abwägen. Also würde er dem König sagen, dass er sterben müsse, dann würde dieser ihn dafür verantwortlich machen und sich entsprechend an ihm rächen, was ihm sein eigenes Leben kosten könnte.
Eine zweite Antwort: Der Arzt war ehrgeizig und wollte durch die spektakuläre Heilung des Königs noch berühmter werden.
Eine dritte Antwort: Der junge Arzt wird angesichts des kranken Königs trotzig gegenüber dem Tod. Der König steht für den Arzt über der Gevatterschaft mit dem Tod. Der König ist für ihn die höchste Instanz, er stellt die Krönung dar, ihm dient der junge Arzt. Und ihn möchte er nicht sterben lassen.Somit tritt der junge Arzt am Krankenbett des Königs zum Erstenmal als Persönlichkeit heraus, denn er handelt eigenständig. Er gehorcht nicht dem Tod.
Ganz im Sinne des Epikur: "Warum sollte man Angst vor dem Tode haben, fragt der Philosoph, denn solange wir leben ist der Tod nicht da und sobald er da ist, sind wir nicht mehr da.
Und auch Epikur hat ein Heilmittel gegen alle Probleme:
- fürchte die Götter nicht!
- fürchte den Tod nicht!
- Wisse dass die Freuden für alle da sind.
- Wisse dass der Schmerz, solange er anhält erträglich ist, und wenn er stark ist nur kurz dauert.
- Und vergiß nicht, dass der Weise auch wenn er Qualen hat glücklich ist
Heutzutage können Ärzte und Ärztinnen den Tod weit hinauszögern. Viele Krankheiten sind überwunden worden, das Lebensalter ist weit gestiegen. Dennoch gibt es Grenzen in der Medizin. Angenommen ein Mensch ist sterbenskrank wer entscheidet wie lange das Leben künstlich verlängert wird? Und die daran anschließende Frage, wer entscheidet wo diese Grenze ist.Inwieweit ist es förderlich die Eigenverantwortlichkeit des Arztes zu unterstützen oder einzuschränken. Schlagwörter dazu: Transparenz und Kontrolle ärztlichen Handelns, Sterbehilfe, Bürokratie, Erfolgsdruck, Kunstfehler, rechtliche Konsequenzen.
Weshalb kann der König nicht sterben obwohl seine Zeit gekommen ist?
Denkt er es gäbe noch Aufgaben die er lösen müsste. Könnte es die geliebte Tochter sein, die noch nicht verheiratet ist, oder das Reich das keinen Nachfolger hat? Oder er hängt noch zu sehr am Leben oder an seinem Amt.
Die Zeit des Königs zu sterben war gekommen, und entweder, der König selbst, seine Familie oder seine Ratgeber waren nicht in der Lage das Unausweichliche anzunehmen. Dadurch wird die Gelegenheit und Chance verpasst, dass Altes verabschiedet wird und Neues entstehen kann.
Kann eine Patientenverfügung die Mündigkeit des Kranken und der Angehörigen stärken?
Warum wird die Königstochter krank?
Es ist die Folge der abgewendeten Krankheit des Vaters. Denn der Gevatter prüft und provoziert die Folgsamkeit des Arztes erneut, indem er seine schöne Tochter erkranken lässt.
Welche Bedeutung hat das Herumdrehen des Patienten?
Das Herumdrehen ist eine Art Betrug und Trick, gegenüber dem Tod. Darüberhinaus ist es aber auch eine sehr kluge und gewitzte Handlung des Arztes. Das ist die hohe Kunst therapeutischen Handelns, eine einfache Lösung zu finden, die vielleicht ausserhalb der eigentlichen Problemsuche liegt. Durch das Herumdrehen entsteht eine neue Sicht ein neuer Standpunkt wird gefunden und darin liegt bereits die Lösung des Problems.
Wieso ist der Arzt im Märchen ein Mann?
Heilkundige Frauen sind im Märchen die Hexen, die Heilkunst der Frauen wurde unterdrückt und verdrängt und ihre Kraft in "schlechten" Zauber gewandelt. Das Wissen über die Heilkraft der Kräuter, das später in den Klostergärten der Kirchen übernommen wurde, stammt von den heilkräftigen Frauen. Das Wissen rund um Geburt und Tod war Frauensache.Ich denke Frauen haben ihr Wissen einfach zur Verfügung gestellt. Die Männer hingegen waren ehrgeiziger und haben dieses Wissen kontrolliert und professionalisiert, bzw einen eigenen Berufsstand daraus gemacht.