Die Gänsemagd
Interpretation
Was sind die Themen im Märchen?
Die Gänsemagd ist ein sehr geheimnisvolles, teilweise düsteres Märchen voller Verschlüsselungen. Ein Märchen über eine starke Mutter - Tochter Beziehung. Die Erbprinzessin und die Bedrohung der weiblichen Nachfolge, wie bei Dornröschen oder Aschenputtel. Die wundersamen Kräfte der Mutter, die die die Tochter beschützen mögen, das Läppchen mit den drei Tropfen Blut, und das sprechende Pferd, gehen verloren. Doch im Laufe ihrer Entwicklung entfaltet die Tochter eigene Kräfte.Psychologisch gesehen ist es der Ablöseprozeß einer "guten Tochter", deren Reise über Entmachtung und Fremde fast ins Totenreich führt um als junge Frau zurückzukehren, die zu den eigenen Wurzeln gefunden und Kräfte und Stärken entwickelt, die letztlich zur Krönung führen.
Es ist ein Märchen über die Gerechtigkeit und Gerichtbarkeit. Der Königstochter wird unrecht getan, es gibt einen Zeugen, Falada. Der Schwur, der mit dem Leben bindet. Das Tor als Gerichtsort, wird mehrmals durchschritten. Der Ofen, wie ein Beichtstuhl, von höherer Macht erhört. Am großen Tisch vor allen Menschen, befragt der alte König wie ein Richter die Angeklagte. Es wird ein Urteil gesprochen.Die Bedeutung des Namens, die Gänsemagd.
- Im Titel findet sich die Magd, sie ist Ausdruck einer gesellschaftlichen Hierarchie,
die bis in das 18. Jahrhundert reichte und den Adel als Grundherrn, und den untertane Bauern als ländliches Proletariat bestimmte.
Im Märchen der "Gänsemagd" kommen noch weitere Titel vor, wie die Kammerjungfer, Gänsehirt, Schinder,
Königstochter, König und Königin. Sie beschreiben nicht nur den Rang, sondern gleichzeitig auch die Arbeit und das Betätigungsfeld.
Die Tätigkeit der Magd ist das Dienen. Das Dienen ist mehr noch als eine Arbeit, es ist eine Haltung, sich unterzuordnen und etwas "Höherem" zu dienen. Das Dienen ist eine religiöse Handlung, Priesterinnen dienten im Tempel der Vesta in Rom, sie war die Göttin des heiligen Herdfeuers und jedes Opferfeuers. Jesus bezeichnet seine Jünger als Diener Gottes, er ermahnt sie mit den Worten: "Der Größte aber unter euch soll Diener sein." Hier stellt sich das gesellschaftliche Gefüge auf den Kopf, oben ist unten, und unten ist oben. Das ist im gesellschaftlichen Sinne eine Revolution.
So gesehen ist das Märchen von der Gänsemagd revolutionär.
Gänse stellten von jeher einen festen Bestandteil der Haustiere dar. Das Hüten der Gänse war eine leichte Arbeit, die auch Kinder ausüben konnten. So ist auch das "Kürtchen" ein Gänsehirt. Beim Erzählen "der Gänsemagd" spürt man die Leichtigkeit und Heiterkeit des Hütens. Das Schnattern trät auch zu dem heiteren Bild der Gänse bei.
Die Gänse waren heilig und die Tiere der römischen Göttin "Juno". Als Wächterinnen haben sie der Legende nach Rom gerettet, sie hörten nachts auf dem Kapitol die feindlichen Eindringlinge und weckten schnatternd die Soldaten. Gänse sind sehr wehrhafte Tiere, bei Gefahr rotten sie sich zusammen und greifen Eindringlinge an. Heutzutage heißt es nur noch "die dumme Gans" und wertet als Schimpfwort eine Frau ab. Das Geschnatter der Gänse, wird mit Plappern, und dummes Zeug reden gleichgestellt.
In dem Märchen der Gänsemagd steht das heitere Schnattern der Gänse in einem Gegensatz zu dem Schweigegelübde des Mädchen. Vielleicht brauchte sie die heilsame Lehrzeit bei den Gänsen um die Wahrheit und die Empörung über das geschehene Unglück auszusprechen.
Die Bedeutung des "finsteren Tores"
- Das Tor als Tür dient der Abgrenzung und des Schutzes einzelner Bereiche und Gebäude, wie Haustor, Hoftor, Schloßtor, Burgtor.
Das Stadttor ist es ein Teil einer Stadtmauer mit Zinnen und Wachtürme mit Torbogen und schließbarer Türe. Namen von Stadttoren können das Stadtteil, wie z.B das Sendlinger Tor in München oder sich auf eine landschaftliche Besonderheit hinweisen, wie z.B. in München das Isartor. In den alten römischen Städten wurden die Tore nach der Himmelsrichtung benannt, wie das alte römische Nordtor in Köln.
Das Tor mit einem Rundbogen, stellt auch einen Triumphbogen dar, als solches steht das Tor im Zentrum der Städte, an großen Straßen und Plätzen die zum politischen Aufmarsch dienen und dienten, das gilt für Armeen und Kriegsherren sowie Revolutionen und Kundgebungen. In Paris der Arc de Triumph; In Berlin: das Brandenburgertor für Hitler, heute das Wahrzeichen für die Teilung und Wiedervereinigung Deutschlands. In München das Siegestor, diente Hitler zum Aufmarsch und Kundgebungen. Die Triumphtore führen weit zurück, wie in Pompeiji der Triumphbogen des Tiberius am Forum (Marktplatz) oder am Jupitertempel.Das Tor als Wahrzeichen geistiger und religiöser Größe findet sich in Klöstern, Kirchen Hallen (Walhalla), Schlössern und Palazzos. Das Tor in seiner mysthische Bezeichnungen, bildet das Himmelstor sowie das Höllentor. In griechischen Sagen findet man das Mondtor, das Sonnentor oder das Weltentor.
- Das finster Tor zum Jenseits, zeigt die Trennung zwischen Leben und Tod.
Im Märchen bittet die Gänsemagd den Schinder (Schlachter) den Kopf des Pferdes über das finstere Stadttor zu nageln.
So sieht sie ihn jedesmal wenn sie die Gänse in und aus der Stadt führt.
Das Tor symbolisiert den Übergang zwischen Diesseits und Jenseits. Falada hält die Verbindung zwischen der gestorbenen Mutter Königin und ihrer lebenden Tochter.
Das Tor ist ein Aufenthaltsort für Geistern.
Das Tor ist wie die Tür oder Schwelle auch ein Ort der Rechtsprechung. Eben als sichtbare und wirkliche Grenze. So weist der Pferdekopf jedesmal auf das Unrecht an der wahren Königstochter hin.
Das Tor als Weih- und Opferstädte. Falada wurde geopfert, sein Kopf an das finstere Tor genagelt. So dient er als Mahnmal für jeden der durch das Stadttor kommt. Es gibt viele gemauerten Köpfe, Tiere, Dämonen, die über einem Tor angebracht worden sind. Ein vorchristliches etruskisches Tor in Volterra zeigt oben den Kopf eines Königs.
Einige persönliche Fragen die anhand des Leitfaden der Gänsemagd besprochen werden können:
- Was hat mir meine Mutter mitgegeben? Was gebe ich meiner Tochter mit? Habe ich schon einmal etwas versprochen? Ist ein Versprechen gültig, wenn es unter einer Bedrohung stattgefunden hat?
- Wann ist es Zeit zu reden, und wann Zeit zu schweigen? Kann die Wahrheit im falschen Moment auszusprechen gefährlich sein?
- Liegt die Kraft mehr im Dienen oder Herrschen? Woran erkenne ich die wahre Königin? Welcher meiner Eigenschaften und Stärken verdecke ich, welche kommen zur Geltung?