Die Lebenszeit;
Interpretation
Was ist das Thema im Märchen:
Das LebensalterMan mag dieses Märchen zum Geburtstag erzählen, geht es doch um das, was der Titel verspricht, die Lebenszeit. Wie bei einem Schwank, mit leichtem Humor und Ironie wird ein schweres Thema aufbereitet.
Ein bitterer Geschmack bleibt, denn der Mensch wird dargestellt als unersättlich nach Lebensjahren, aber die Lebensqualität nimmt je älter er wird, immer weiter ab. So dass er am Ende als ein zahnloser, grimassenschneidernder Greis sich zum Gespött macht.Oft ergibt sich nach diesem Märchen ein Gespräch über die Lebenszeit des Menschen. Vor etwa 200 Jahren, als die Brüdern Grimm dieses Volksmärchen niederschrieben, mag 70 Jahre ein hohes Alter gewesen sein. Jakob Grimm selbst ist 78 Jahre, sein Bruder Wilhelm Grimm 75 Jahre alt geworden. Heute sind in Mitteleuropa 80 Jahre, gar bis über 90 Jahren ein erreichbar hohes Alter geworden.
Früher war es eine Ausnahme alt zu werden, gute Lebensbedingungen und Glück waren dazu von Nöten.Die statistische Lebenserwartung hat sich seit 1800 von 40 auf 80 Jahre verdoppelt. Bedingt durch den hohen Lebensstandard, ausreichend Ernährung, Hygiene, Seuchenbekämpfung, geringe Kindersterblichkeit, hochentwickelte Medizin, Arbeitsschutz um nur einige Gründe zu nennen.
Die Frage wie alt ein Mensch werden kann, führt uns daraufhin, dass der Mensch tatsächlich ein bestimmtes Lebensalter hat, das ihm in die Wiege gelegt wurde.Ob, wie im Märchen Gott selbst, oder wie in der Biologie die Gene, das Lebensalter ist festgelegt und wird auch heute noch wie im Märchen schicksalhaft empfunden.
Im Märchen "die Lebenszeit" hat Gott das Lebensalter für Mensch und Tier festgelegt. Dabei ist er sehr gerecht vorgegangen, er hat Esel, Hund, Affe und Mensch ein gleiches Lebensalter zugedacht. 30 Jahren waren das Gottes Angebot, wobei Esel, Hund und Affe angesichts ihres anstrengenden und leidvollen Lebens um eine Lebensverkürzung baten. Einzig der Mensch konnte an Jahren nicht genug bekommen.Die drei Tiere Symbol Tiere stehen symbolisch für den Menschen und werden abwertend gebraucht:
- Ein Esel ist einer, der deshalb dumm ist, weil er sich plagt ohne dafür Dank zu erhalten.
Auch heute kann man das so sehen, rund um das 30. Lebensjahr, wenn die 18 Jahre des Esels beginnen, muss man am meisten arbeiten. Familie gründen, Kinder groß ziehen, sich im Job beweisen, ein Haus bauen, Besitz erwerben und es gibt oft nur wenig freie Zeit und Urlaub. Die Zeit des Esels dauert heute eindeutig länger, bald 35 Jahre, nämlich bis zum Rentenalter.
- Ein Hundeleben hat einer, der seine körperlichen Kräfte verloren und im Leben keine Aufgaben mehr hat.
Verbunden mit dem Verlust der Zähne, kann er nicht mehr beissen und sich nicht mehr wehren.
Das wären im Märchen die Jahre von 48 bis 60, das ist heute deutlich nach hinten geschoben, und betrifft das Rentenalter, ab 60 oder 65 Jahren. Dann begännen also die 12 Hundejahre. Wenn man keine Aufgabe mehr hat, wenn die Kräfte nachlassen und man nur noch knurren aber nicht mehr beissen kann.
Auch heutzutage haben viele mit dem Eintritt der Rente eine große Sinnkrise, nicht mehr gebraucht zu werden, weder in der Arbeit, noch von den erwachsenen Kindern, stellt eine große Herausforderung dar. Das Leben des närrischen Affen beschreibt die Lebenszeit, wenn auch die geistigen Kräfte nachlassen.
Heute beginnt das Greisenalter mit 70 beginnen oder mit 90 Jahren und ist individuell verschieden. Krankheiten wie Alzheimer, ein Schrecken für Viele, beschleunigt diesen Prozeß. Eine harte Prüfung für die Betroffenen selbst und für die Angehörigen.Wenn man an die vielen lebensverlängernden Maßnahmen denkt, die uns heutzutage zur Verfügung stehen, könnte man auch die 10 Jahre des Affen noch verlängern und ein paar weitere Jahre herausquetschen.
Die wichtigste Frage im Märchen "die Lebenszeit" ist die nach der Würde des Menschen.
Dazu zählt primär der religiöse Gedanke der Gottesebenbildlichkeit des Menschen, so dass hier hohe Erwartungen erfüllt werden wollen. Und der Gedanke zu den primären Menschenrechten: "Die Würde des Menschen ist unantastbar", so steht es im 1. Absatz im 1. Artikel der deutschen Verfassung.Ist der Mensch so gierig, dass er um die Jahre feilscht, oder kann er sich seine Würde in jedem Lebensalter und den jeweils spezifischen Aufgaben erhalten? Was erzählt dazu das Märchen;
- Der Mensch möchte das Haus, das er gebaut hat, bewohnen.
Die Menschen hängen sehr an ihrer Wohnung, an ihrem Wohnort, und den Sachen, die sie im Laufe des Lebens angesammelt haben. Es ist schwierig den Besitz nach und nach wieder loszulassen. Jedoch gehört es zur Würde des Menschen, den Besitz nicht für sich behalten, sondern weiterzugeben
- Der Mensch möchte sehen wie seine Kinder heranwachsen.
Es ist eine Herausforderung die Kinder, die man jahrelang versorgt hat, in ihr eigenes Leben ziehen zu lassen. Keine Besitzansprüche geltend zu machen, sie sind nicht verpflichtet in seine Fußstapfen zu treten, seine Erwartungen und Wünschen zu erfüllen. Ihr Leben liegt in der Zukunft, dahin kann er sie letztlich nicht begleiten, denn er muss vor ihnen die Welt verlassen. Indem er den Kindern ihr eigenes Leben schenkt, kann der Mensch seine Würde bewahren.
- Der Mensch möchte die Früchte sehen, die seine geplanzten Bäume tragen.
Das beschreibt die ideellen Früchte, die geistigen Errungenschaften. Werden die Ideen, die Projekte, die Werte die er ins Leben eingebracht hat, wofür er gekämpft und gearbeitet hat, überleben? Letzlich hat er auch geistig keine Besitzansprüche, was er bewirkt liegt in der Zukunft, und es wird darin für ihn keine Gewissheit geben. Nur so kann er in Würde bleiben.
Das Märchen ist bei weitem noch nicht ausgeschöpft.
Ich würde mich sehr über ihre Anregungen email freuen und in der Interpretation mitaufnehmen.