Das Wasser des Lebens; Interpretation
Es ist für mich die Geschichte einer Depression und tiefen Verunsicherung. Alles was einmal gut, stark und mächtig war droht zu zerbrechen. Das Märchen "Wasser des Lebens" erzählt von den mächtigen Gefahren und Chancen, die auf dem Weg der Heilung liegen. Das Märchen erzählt auch von dem goldenen Königsweg der Selbstfindung.
Was wissen wir über den König?
Der König gilt als Symbol der Macht und gleichwohl der Vitalität. Er steht im Zentrum, er symbolisiert das Erwachsenen "Ich". Er ist der oberste Richter. Der König ist unheilbar krank, es besteht keine Hoffnung dass er am Leben bleibt. Ein trostloser Zustand. So fragt man sich gleich woran der König erkrankt ist? Ich denke seine Seele ist krank, er ist lebensmüde. Er kann nicht mehr so weiter machen wie bisher und etwas Neues kann er nicht aus sich heraus entwickeln.
Wir kennen die Geschichte des Königs nicht, aber wir wissen dass er sehr vital war, denn er hat drei Söhne, also Nachfolger wären da. Von der Königin und Mutter der Söhne wird nicht berichtet. Der Ausgleich durch das Weibliche, die Wärme, das Erdige und Nährende, fehlt.
Was wissen wir über die Söhne?
Sie sind zu dritt, als solche bilden sie eine eigene Einheit. Wie sie von der Krankheit des Vaters hören, gehen sie in den Schloßgarten und weinen. Das ist ein sehr trauriges, verlassenes und verzweifeltes Bild. Die Söhne sind vom Vater abhängig sie haben sich noch nicht gelöst, ihr Erwachsenen Ich ist noch zu schwach. Wenn ihr Vater untergeht so gehen sie mit ihm unter.
Der ältere und mittlere der Söhne sind vom gleichen Schlag, sie bilden in der "Einheit Söhne" eine 2/3 Mehrheit. Sie sind materialistisch und berechnend. Ihre Art zu denken ist linear: "helfe ich dem Vater, bin ich dem Vater der Liebste, erbe ich das Königreich".. Wie der Zwerg sie nach dem Ziel ihrer Reise fragt, antworten sie hochmütig: "kleiner Knirps das brauchst du nicht zu wissen".Sie glauben selbst alles am besten zu wissen. In dieser Art des Denken steckt nichts Neues, diese Art des Denkens hat wahrscheinlich in die Krise geführt.
Der Jüngste, der am längsten bei der Mutter war, ist der fehlenden Mutter am nächsten. Er ist gegenüber seinen Brüder in der Minderheit. Er ist offen und suchend, er geht auf das Gespräch mit dem Zwerg ein. Nicht er lenkt die Geschicke, sondern er ist wie die Helden und Heldinnen in vielen Märchen; Er wird förmlich vom Leben gezogen, absichtslos und intuitiv macht er das Richtige.
Die 3 Söhne sind wie drei Anteile in jeder Persönlichkeit, eine 2/3 Mehrheit ist materialistisch und auf ihren Vorteil ausgerichtet. Sie berufen sich auf ihre Rechte und folgen den alten Gewohnheiten. Nur 1/3 ist für Neues offen.Wie lautet die Aufgabenstellung im Märchen:
Die Suche nach dem Wasser des Lebens, das ist die Suche nach der Quelle der Erneuerung, der Vitalität und Heilung. Es ist auch eine Art Bewerbungsverfahren für den besten Charakter, für die Nachfolge des Königs. Auch in der Depression kommt der seelisch kranke Mensch nicht weiter, er muß zurück zu seiner inneren Quelle deren Wasser ihn wieder belebt.Der Weg der Heilung und Selbstfindung beginnt:
Erst ein Fremder kennt das Heilmittel, dh. die Lösung liegt ausserhalb der bekannten und vertrauten Welt. Das entspricht auch der depressiven Erkrankung, der Betroffene, seine Familie und nächste Umgebung sind im System gefangen.
Die Söhne gehen jeweils einzeln auf die Suche nach dem Wasser des Lebens. Ein Entwicklungsprozess kann jeder nur alleine machen.
Die Söhne fragen den Vater um Erlaubnis, der Vater lässt die Söhne nur ungern ziehen, er ist ängstlich, hat kein Vertrauen, keine Zuversicht in sie, er würde lieber im Alten verharren. Der Vater ist aber auch zu schwach um sie zurückzuhalten. Das ist ein stark ambivalenter Zustand, er sagt zu etwas nein, lässt es dann aber doch geschehen.Die Begegnung mit dem Zwerg.
Der Zwerg ist in den unterirdischen Höhlen und den Bergen zuhause. Er schürft tief, er hat Zugang zu den alten Zeiten, den alten verborgenen Schätzen, die in der Erde vergraben liegen. Für mich ist er eine Art Psychotherapeut, ein innerer Führer, der nicht bestechbar ist. So lässt er die beiden älteren Brüder feststecken, wie zwischen zwei Bergfelsen, der eine Fels sind die vorgefertigten Meinungen, der andere Fels die Selbstgerechtigkeit. Dem Jüngeren aber ist er eben jener Lehrer und Therapeut, der ihm den Königsweg nach innen weist.
Dann kommt der Jüngste an das Schloß, das Symbol des Selbst. Es ist ein verwunschenes Schloß das lässt auf Erlebnisse, Gefühle und Kräfte im Inneren schließen, die verdrängt sind, Kräfte die dem Jüngsten nicht zur Verfügung stehen. Diese Kräfte sind gebannt, werden sie gelöst können sie genauso eine Gefahr wie eine Heilung und Belebung darstellen. Das Schloß existiert auch ohne dass es gefunden wird, nur werden die Prinzen nie geweckt, die junge Frau nicht geliebt, die Geschenke liegen brach und das Wasser des Lebens wird nicht geschöpft. Das führt zu Krankheit und Depression.die junge Königstochter:
Sie wohnt im Innersten des Schlosses, sie wartet auf ihn, sie schläft nicht. Sie Sie steht wie der König im Zentrum des Schlosses. Sie ist ein Teil des Selbst des Jüngsten. Sie ist seine Anima, das Bild der Frau das er in sich trägt. Sie sagt zu ihm, "komme in einem Jahr wieder dann werden wir heiraten und dir gehört mein Königreich." Es ist noch zu früh, dass sie wie Mann und Frau zusammenleben, die Entwicklung des Jungen bedarf noch Zeit. Er hat noch eine Aufgabe zu erfüllen, dem Vater das Wasser des Lebens zu bringen.
In dem Moment wo der Jüngste das verwunschene Schloß mit der Königstochter entdeckt, hat er ein neues Zentrum in seinem Leben. Es ist klar wo er in Zukunft hingehört. Das Schloß des Vaters wird abgelöst. Für den depressiven Menschen kann das eine neue Aufgabe, eine neue Lebensmitte bedeuten. Ein Ziel das langsam die alten Zugehörigkeiten ersetzt die krankmachend wirken und keine Zukunft mehr haben.Das erste Ziel ist erreicht:
Die Kräfte des Selbst sind erwacht, das Wasser des Lebens aus dem Brunnen im Schloßhof geschöpft. Geschenke werden dem Jungen mitgegeben, ein Laib Brot der nie verzehrt wird, und ein wehrhaftes Schwert das ein ganzes Heer zurückschlagen kann. Diese Kräfte sind unerschöpflich und verlaufen nach dem seelischen Prinzip.Die Bewährung und Erprobung der seelischen Kräfte in der Welt:
Der Zwerg erkennt die Kräfte, erklärt ihre Einsatzmöglichkeit.
Der Jüngste lässt seine beiden Brüder, trotz Warnung des Zwerges wieder befreien, sie sind noch Teil von ihm. Er hat sie noch nicht überwunden.
Er bewährt sich in drei Königreichen. Diese Königreiche bilden auch Lebensbereiche des Jüngsten. Jetzt erst sieht man die Not und Bedürftigkeit in seinem Leben, Hunger und Krieg herrschen. Mit der neuen nährenden (das Laib Brot) und wehrhaften Kraft (das Schwert) stillt er den Hunger und schafft Frieden.
Zu einem Zeitpunkt wo die Gefahren überwunden, die Aufgaben erledigt sind, das Schiff die Brüder zurück in die Heimat bringt, ruht sich der Jüngste aus, passt nicht auf und wird getäuscht. Er hat nun Salzwasser anstatt das Wasser des Lebens in seinem Becher.
Das alte System hat ihn wieder überwältigt, die seelischen Kräfte sind verloren. Das ist ein echter Rückfall, und gleichzeitig eine weitere Prüfung, vielleicht die Schwerste. Das bittere Wasser des Meeres zeigt es an, es geht um die Vernichtung von Leben. Er kommt fast durch den Vater und die Verleumdung der Brüder zu Tode, doch der Jäger verhindert es. Durch diesen Schreck wird Jüngste wieder wach und handlungsfähig.
Er tauscht die Kleider wird zum Jäger und taucht im Wald unter. Zum zweitenmal entfernt er sich von zuhause, diesmal entgültig.Das Alte ist überwunden und integriert, die Kräfte sind gelöst, das Neue kann beginnen.
Nach einem Jahr erwartet ihn die junge Königin im gemeinsamen Schloß, sie schützt das Schloß mit einem Geheimcode. Sie bilden eine geschützte und wehrhafte Einheit. Das Neue Ich ist gereift, er reitet auf dem goldenen Königsweg ins Schloß.