Der Bärenhäuter: Interpretation
Das Sternenbild des großen Bären sieht hinunter auf die Nordhalbkugel der Erde, die Heimat der Bären. Dort sieht er einen Soldaten in den "heiligen" Kreis der Bäume treten, um seine Schulter ein Gewehr, "eine Feuerwaffe", mit ihr hat er gedient, den Feind abgewehrt, dem Tod ins Auge geschaut, sein Leben eingesetzt. Er kennt nur die Welt des Krieges, und in all den Jahren hat er den Bezug zur Heimat verloren, die Eltern sind gestorben, die Brüder weisen ihn ab. Er hat nicht gelernt wie man im Frieden sein eigenes Leben unterhalten kann. Er sieht voraus, dass er verhungern wird, er ist verzweifelt, wird er das Gewehr, seinen einzigen Besitz gegen sich selbst richten?
Hat er sich nicht in all diesen Jahren ein Bärenfell verdient, eines das ihn unempfindlich macht gegen die Gleichgültigkeit, Undankbarkeit und Abweisung.Der große Bär zeigt sich, tritt in den "heiligen Kreis" der Bäume, brüllt, greift mit erhobenem Körper den Soldaten an. Der Soldat wehrt sich, erschießt den Bären, beschimpft ihn noch und macht sich über ihn lustig, "dich will ich an der Nase kitzeln, dass dir die Lust zum Brummen vergehen soll." Der Bär hat sich für den Soldaten geopfert, hat die Verzweiflung und selbstzerstörerische Wut des Soldaten auf sich gelenkt.
Der Soldat hängt sich das Bärenfell, die Bärenhaut um, er bekommt den Namen Bärenhäuter (eine indianischer Ritus der Namensgebung) und wandert über die Erde, nachts sucht er eine Herberge, niemals bleibt er länger, immer zieht er weiter. Sein menschliches Antlitz wird verdeckt von Bart und Haaren, an den Fingern wachsen Krallen. Unter dem Pelz des Bären wächst ein mitfühlendes großzügiges Herz, eines das um Segen bittet und letztlich Liebe erfährt. Die Liebe heilt, verbindet Mann und Frau, er muss nicht mehr kämpfen, er kann das Fell des Bären ablegen, darunter ist er schöner wie je zuvor.
Wofür braucht es den Teufel im Märchen vom Bärenhäuter?Viele Religionen und alte Mythologien kommen ohne ihn aus. Der Teufel ist eine Erfindung des Christentums, er ist das personifizierte Böse. Die Vorstellung vom Teufel lenkt den Mensch von seiner Eigenverantwortung ab. Das Böse ist überall, es verschafft sich Zutritt über die Gleichgültigkeit, den Egoismus und die Nachlässigkeit der Menschen und findet sich im Hass, dem Neid und der Gier wieder.
Der Soldat begegnet dem Teufel im grünen Rock, der "Seelenjäger" persönlich. Die Gabe des Teufels verführt, beschert ihm Geld und Gut, lehrt ihn Alles sei käuflich, eine warme Mahlzeit, eine gute Gesellschaft, Schutz und Herberge. Nach so einem Krieg sind die Menschen verroht. Jeder denkt an sein eigenes Vorankommen, die Brüder nehmen einen weiteren Nutznießer nicht auf, die Wirte lassen sich die Unterkunft des Ungetüms hoch bezahlen. Ob es ausreicht den Armen Geld zu spenden, um für sein Seelenheil zu beten?
Ist Beziehung käuflich, oder ist es eher so, dass Geld einer Beziehung im Wege steht?Was den Soldaten rettet, ist das mitfühlende Herz und die Dankbarkeit des alten Mannes, der in seiner Not den Schreck vor der schaurigen Gestalt überwunden, und sich dem Bärenhäuter anvertraut hat. Der hilft mit den Worten: "Wenn Ihr weiter keine Sorgen habt, Geld habe ich genug." Der alte Mann ist auch kein gewöhnlicher Mensch, er ist ein Seher, ein Auserwählter, wie sonst kann er drei schöne Töchter haben. Wie sonst kann er die Not des Bärenhäuters erkennen, seine Einsamkeit und Verwahrlosung an der er bald zugrunde gehen wird. Und der Alte erweist ihm seinerseits Dankbarkeit: "Komm mit mir meine Töchter sind ein Wunder von Schönheit, wähle dir eine davon zur Frau, wenn sie hört, was du für mich getan hast, so wird sie sich nicht weigern."
Wie es um die Welt steht zeigt sich im Märchen oft in dem Verhältnis 2:1. Die unwissenden Menschen sind in der Überzahl und fallen in die Hände des Seelenjägers. Die zwei Schwestern bewerten und kontrollieren, sind egoistisch und sehen nur den äußeren Schein.
Nur mit dem Herzen sieht man gut.Die Minderheit, die Jüngste der Schwestern besitzt nicht nur die äußere, sondern auch die innere Schönheit, sie sieht das mitfühlende Herz des Bärenhäuter. Und sie steht für den Wunsch des Vaters ein.
Der Pakt des Teufels ist mit dem Pakt der Liebe aufgehoben.Der Teufel macht am Ende ein griesgrämiges Gesicht, denn er hat diese Seele nicht nur verloren, er muss dessen Inhaber wie ein Bademeister reinigen und ihn letztlich noch als reichen Mann ausstatten. Es gab einen Pakt, eine Vereinbarung auf Handschlag. Jeder kann gewinnen und verlieren. Der Teufel investiert Geld und Gut, der Soldat seine Seele.
Die Vereinbarung lautete: "Du darfst in den nächsten sieben Jahren dich nicht waschen, dir Bart und Haare nicht kämmen noch schneiden, die Nägel nicht schneiden und nicht beten." "Dann gebe ich dir einen Rock und einen Mantel, den musst du in dieser Zeit tragen." "Stirbst du in diesen sieben Jahren, so bist du mein, bleibst du aber leben, so bist du frei und bist reich dazu für deinen Lebtag."
Die Vereinbarung ist eine innere Immigration, das kennen Menschen nach einem Schicksalsschlag, einem Verlust oder in schweren Sinnkrise.Ein bekanntes Lied von Peter Maffay berührt diese innere Immigration:
Über sieben Brücken musst du gehen, sieben dunkle Jahre überstehn, sieben Mal wirst du die Asche sein, aber einmal auch der helle Schein.
Es braucht Zeit bis etwas wächst oder sich etwas bewährt. Und eine Seele braucht offensichtlich genau sieben Jahre bis sie sich erneuert oder abstirbt. In dieser Zeit gibt es keine Hilfe, Ablenkung oder Einfluss von außen, der Seelenträger, der Bärenhäuter ist der einzige Akteur.Was bedeutet die Sieben?Die sieben ist eine Primzahl, sie ist nicht teilbar, ist etwas Ganzes, wie die 7 Tage einer Woche. Die Wochentage sind nach den 7 beweglichen Himmelskörpern benannt, die von der Erde mit bloßem Auge sichtbar sind. So dachten die Menschen, Sonne, Mond, Venus, Mars, Merkur, Jupiter und Saturn bewegen sich um die Erde.
Gibt es feste Zeiten, um Schwieriges zu überwinden, und Neues wachsen zu lassen?Nach 7 Jahre ohne menschliches Antlitz, ohne Zuwendung, ohne Gebet, kann der Bärenhäuter das Fell abnehmen, die schweren Zeiten sind vorbei. Gereinigt, kehrt er leichten Herzens in die Welt zurück. Innere und äußere Schönheit stimmen überein, reich an Gut und Geld, stattlich gekleidet, vermählt er sich mit seiner Verlobten.